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Kinotipp | Juni
von Susanne Bieger
(Festivalleiterin, Kuratorin, Dramaturgin)

Ein feministischer Dokumentarfilm – so packend wie ein Pokalfinale. Rachel Ramsay & James Erskine rücken ein vergessenes Kapitel der Fußballgeschichte ins Rampenlicht. 

COPA 71
Regie: Rachel Ramsay & James Erskine
Kinostart: 26. Juni 2025

COPA 71 beginnt mit einer Montage historischer Aufnahmen: Ein ausverkauftes Fußballstadion, jubelnde Fans auf den Rängen und zwei entschlossene Mannschaften, die unten auf dem Platz einem alten Lederfußball hinterherjagen. Während wir uns noch fragen, wann und wo diese Aufnahmen gemacht wurden, merken wir plötzlich: das sind doch Frauen! Diese Bilder stammen aus dem Jahr 1971 – von der ersten, wenn auch inoffiziellen, Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Mexiko. Danach verschwanden die Aufnahmen, die Spielerinnen und das gesamte Fußballereignis aus dem kollektiven Gedächtnis.

Der Film, COPA 71, des Regieduos Rachel Ramsay & James Erskine, das gemeinsam mit Victoria Gregory auch das Drehbuch verfassten, ist eine aus mehreren Gründen bemerkenswerte Arbeit. Zum einen gelingt es Ramsay & Erskine diese unglaubliche Geschichte so spannend wie ein packendes Pokalfinale zu erzählen. Wir fiebern regelrecht mit: wer hat denn nun damals diese inoffizielle Frauenfußball-Weltmeisterschaft gewonnen? War es das mexikanische Team mit Heimvorteil? Oder eine der fünf angereisten Gastmannschaften?

Ramsay & Erskines Arbeit beeindruckt nicht nur durch ihre mitreißende Erzählweise, sondern auch durch die Fülle an historischem Film- und Fotomaterial, das sie für diesen Film zusammengetragen haben, um das vergessene Ereignis wieder ins Bewusstsein zu rufen. Zu sehen sind Aufnahmen von den Vorbereitungen zuhause, vom Abflug der Teams, von der Ankunft in Mexiko City – wo die Spielerinnen mit großer Begeisterung empfangen wurden. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil Mexiko, ein Land, das in westlichen Medien oft als rückständig erzählt wird, hier ganz anders dargestellt wird. 

Ramsay & Erskine rekonstruieren das Turnier, bei dem Argentinien, Dänemark, England, Frankreich, Italien und Mexiko gegeneinander antraten. Das war kein leichtes Unterfangen, denn, wie sie im Interview mit Catalina Combs für IDA erzählen, war die damalige Berichterstattung aus einer dezidiert männlichen Perspektive erzählt. Ramsay & Erskine gelingt es auch die Stimmung abseits des Spielfelds einzufangen. Zwar ging es auf dem Feld körperlich zur Sache, doch zwischen den Begegnungen wurde gemeinsam gefeiert und als der Tourbus der Engländerinnen auf dem Weg nach Guadalajara am Straßenrand liegen blieb, sammelte die Italienerinnen die Kontrahentinnen ein. Das historische Ereignis war also geprägt von Euphorie und Solidarität.  

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Besonders berührend sind die Interviews mit den Spielerinnen, die Ramsay & Erskine wieder ausfindig machen konnten. Etwas mehr als fünfzig Jahre später blicken sie auf die Zeit in Mexiko zurück und erzählen von ihren Erlebnissen – persönliche Geschichten, die durch das historische Filmmaterial wieder zum Leben erweckt werden. Es kommen Protagonistinnen aus allen teilnehmenden Ländern zu Wort. Ihre Erzählungen sind zutiefst beindruckend aber auch voller Humor. Erst gegen Ende des Films, nach der Rückkehr der Spielerinnen, schlägt der Ton des Filmes um. Während sie in Mexiko begeistert begrüßt wurden, wartete zuhause niemand auf sie. Keine Reporter*innen. Keine Feierlichkeiten. Stattdessen schlug ihnen Gleichgültigkeit und Spott entgegen. Vertreter der männerdominierten Fußballwelt machten sich öffentlich über das Spiel der Frauen lustig: Fußball sei das nicht. Zutiefst verletzt, wenden sich die Frauen vom Fußball ab, während die Verbände das Ereignis zu den Akten legen. Erst zwei Jahrzehnte später findet die erste offizielle Fußballweltmeisterschaft der Frau in China statt. 

Venus und Serena Williams, die den Film als Exekutive Producer begleitet haben, sagten der Branchenzeitschrift VARIETY: 

“When I heard about the 1971 Women’s World Cup, I couldn’t believe this incredible story was erased from our history books.“ – Venus Williams 

Copa ‘71 tells the story of one of the most inspirational and significant moments in women’s sports history”. – Serena Williams

COPA 71 feierte bei den Filmfestspielen in Toronto Weltpremiere. In Deutschland lief der Film beim Internationalen Frauen Film Festival Dortmund+Köln und später beim 11mm Fußball Film Festival in Berlin. Dort wurde der Film mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt: „Was diesen Film so besonders macht, ist seine Fähigkeit, eine vergessene Geschichte mit Leidenschaft und Präzision wiederzubeleben. Er zeigt uns die mutigen Frauen, die trotz aller Widerstände und gesellschaftlichen Barrieren den Fuß in die Tür des internationalen Fußballs setzten. (…) Der Film ist nicht nur eine Hommage an diese Pionierinnen, sondern auch ein Weckruf. In einer Zeit, in der Frauen immer noch um Gleichberechtigung kämpfen müssen, liefert dieser Film eine kraftvolle Botschaft: Die Geschichte dieser mutigen Frauen zeigt uns, dass Veränderung möglich ist.“ 

COPA 71 läuft ab dem 26.6. in einem Kino in eurer Nähe.


Weitere Informationen

COPA 71
Großbritannien 2023, 91 Min., FSK 0, 
Deutsche Fassung oder Englisch/Spanisch/Italienisch/Französisch mit deutschen Untertiteln

Buch: Rachel Ramsay, James Erskine, Victoria Gregory
Regie: Rachel Ramsay und James Erskine
Producers: Serena Williams, Venus Williams, Alex Holmes, Jon Mone, Isha Price, Caroline Currier, Oli Harbottle, Alex Morgan; 
produziert von Victoria Gregory, P.G.A. Jannat Gargi, P.G.A. Anna Godas, P.G.A., Produktionsfirmen: New Black Films, Dogwoof, Westbrook Studios